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Konzert: Ensemble Paulinum führt mit dem Barockorchester Pulchra Musica die Markuspassion in Bürstadt auf
Christi Leid wird spürbar
Von unserem Mitarbeiter Markus Mertens
Bürstadt. Wenn sich dieser
Tage die Kirchen zu Passionskonzerten füllen, so wissen alle, was im
Zentrum der Musik steht: die Leidensgeschichte Christi. Auch in der
evangelischen Kirche in Bürstadt war sich jeder Einzelne, der auf den
Holzbänken seinen Platz wählte, bewusst, was das Ensemble Paulinum und
das Barockorchester Pulchra Musica ihnen präsentieren werden. Eine
Überraschung wartete im Werk selbst - der Markuspassion. Dort ist
es Jesus selbst, der schon vor der ersten Anschuldigung weiß, dass er
des Todes ist. Diese 90 Minuten Leidensweg füllt Reinhard Keisers
vertonte Version des Original-Bibeltextes aus dem 14. und 15.
Kapitel des Markusevangeliums, die die Geschichte des Gottessohnes
erzählt, der sehenden Auges in sein Elend läuft. Dass Judas ihn
verraten, Petrus ihn leugnen würde - all dies weiß der Jesus, den
die Zuhörer in Bürstadt mit der Stimme von Stephan Wernersbach
verfolgen, bereits. Doch er erträgt es mit Sanftmut, während seine
Jünger ihm noch die Treue schwören.
Wie trefflich hat Dirigent
Christian J. Bonath hier ein Miteinander hergestellt, das besser zu
dieser Geschichte kaum passen könnte. Allein die Instrumentierung formt
ein Arrangement, das einem solchen Monumentalwerk angemessen ist.
Zwar spielt man die Passion
beim Barockorchester nur mit vier Violinen, einem Cello und der
Holzorgel, doch darf dies nicht für Verstörung sorgen. Denn die
Gesamtchorstimme hat keineswegs den größten Vorzug in Keisers Version.
Es sind die Solisten, die glänzen müssen. Allzu sehr schmetternde Musik
ließe hier den zarten Gesang einer einzelnen Stimme nur noch schwerlich
zur Geltung kommen. Man darf aufmerken, wenn man mit Burkhard Hildebrand
den Evangelisten selbst zu Wort kommen hört. Denn es ist untypisch für
ein barockes Werk, das doch mühelos auf Bombastik setzen könnte, und
sich damit wohl in die Charakteristik seiner Epoche fügen würde. Ganz im
Gegenteil sind es gerade eine Violine und das Cello, die immer wieder
ihr gleiches Rezitativ zu den Worten des Evangelisten spielen und damit
mehr eine Unterstreichung vornehmen, als sich selbst in den Vordergrund
zu drängen. Mit ihren Wiederholungen gewinnen die Emotionen dieser Solo-Arien an Dringlichkeit, wird die Verfangenheit der Situation für Jesus klanglich greifbar.
Immer wilder, hektischer und
hitziger gerät die Passion. Wilde Beschimpfungen des Volkes, Schmähungen
der Schriftgelehrten und Priester für jenen, der sich Gottes Sohn
nennt, schallen durch den Raum. Genau an diesen Stellen hält auch das
Orchester Schritt, bricht aus seiner fast lethargischen Klagsamkeit bei
den Soli aus und gibt der Stimme der Masse Kraft: jener Masse, die den
Gotteslästerer sterben sehen will. Auch seine Leugner wissen da, dass
sie ihren Tröster nicht mehr retten können. Längst hängt er am Kreuz und
nimmt sein Schicksal hin. Erst sein Todesschrei kann die Wachleute
plötzlich läutern, die nun sagen: "Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn
gewesen!" Wie spät kommt daher die Sehnsucht für einen, dem bei Gericht
keine Chance gegeben war und der starb für alle - auch für jene, die ihn straften.
Und so bekannt die Geschichte
auch sein mag; in ihrer fast unheimlich persönlich berührenden
Aufführung in Bürstadt hat der Sinn dieser Passion etwas Überraschendes,
etwas überraschend Erleichterndes.
Südhessen Morgen 18. April 2011